Luigi Colani: Nachruf in Fachzeitschrift SBZ
Colani hat das Produktdesign in vielen Bereichen maßgeblich geprägt. Für die Sanitärbranche war Luigi Colani der Geburtshelfer in ein neues Zeitalter. Sein für Villeroy & Boch entworfenes Badprogramm zur ISH 1975 gilt im Rückblick heute noch als revolutionär. Der gebürtige Berliner entwarf im Laufe seines Lebens legendäre Autos, Kameras und Einrichtungsgegenstände. Colani starb am 16. September im Alter von 91 Jahren in Karlsruhe. Dieser Nachruf von Frank A. Reinhardt für die SBZ skizziert eine Ausnahmepersönlichkeit.
Für die Sanitärbranche war Colani der Geburtshelfer in ein neues Zeitalter.
Dass Luigi (Lutz) Colani schon immer sein Auftreten benutzt hat, um Meinungen und Menschen zu polarisieren, war mehr als ein geschickter Marketing-Trick: Seine Begeisterung war so ansteckend, weil sie echt war. Colani prägte wie kein anderer das Bild vom Design beim Mann auf der Straße, aber auch das Denken in den Köpfen der deutschen Installateure. Und auch die Industrie würdigt rückblickend die Arbeit Luigi Colanis: Fast einhellig bescheinigen führende Unternehmen der Sanitärindustrie Colani für ihre Branche eine außerordentliche Pionierleistung in Sachen Design, und insbesondere die Villeroy & Boch AG veröffentliche kurz nach der Bekanntmachung durch die dpa ihre Beileidsbekundung zum Tod der Ausnahmepersönlichkeit.
Luigi Colani teilte das Schicksal von Pionieren in einer entwickelten Welt: Der Wagemut, die Experimentierfreude und die Dynamik, die man an ihnen so geschätzt hatte, als es Land zu erobern galt, erscheint den nachfolgenden Siedlern auf einmal zu riskant. Und so sah sich Colani in den letzten drei Jahrzehnten seines Lebens einer Widerstandshaltung der Industrie gegenübergestellt, die er als Zögerlichkeit der unter Erfolgsdruck stehenden Macher anprangerte. Wahr ist, dass eine sichere Kugel mit Colani wohl nie zu schieben war; und Mut zum Risiko ist heute nun mal selten zu finden. Colani forderte Freiräume und verbreitete Unruhe, was ihn zu einem unbequemen, weil nicht oder nur schwer kalkulierbaren Faktor in den alles beherrschenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen machte. Schwerwiegender noch wird aber wohl das Bedenken der Vorstandsebenen etablierter Markenunternehmen gewesen sein, sich mit der Entscheidung für ein Colani-Abenteuer dem Ruf auszusetzen, sich auf skurrile Abwege zu begeben. Abgesehen von seiner gelegentlich erfrischend undiplomatischen Art und der von Vertretern des sogenannten „guten (Norm-)Geschmacks“ bedauerten Tatsache, dass sich seine Handschrift dem Zeitenwandel partout nicht anpassen konnte oder wollte, konnte man sich noch über so manche Eigenart Colanis – um nicht zu sagen Extravaganz – beklagen. Sein Absolutismus und sein umwerfendes Selbstbewusstsein waren zumindest gewöhnungsbedürftig. Doch ihn als Spinner abzutun hieße, eine gewisse genialische Freigeistigkeit und Respektlosigkeit gegenüber den gewohnten Spielregeln des Marktes mit Weltfremdheit zu verwechseln. Letztlich wird niemand umhinkönnen, dem Altmeister Unbestechlichkeit im Urteil und intuitive Klarsicht im Hinblick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu bescheinigen – wie das nachfolgende SBZ-Interview aus dem Jahre 2000 beweist. In weiten Teilen scheint es aktueller denn je.
„Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“ – die Wahrheit dieses Sprichwortes hat Colani zweifelsohne sein ganzes Leben verfolgt. Er musste damit leben lernen – und er lebte nicht schlecht. Wenn die abenteuerlichen Gerüchte um sein Werk auch nur teilweise wahr sind, hatte der Designer ein ausgesprochen kreatives und erfülltes Arbeitsleben. Für die Sanitärbranche war Colani der Geburtshelfer in ein neues Zeitalter. Auf der ISH 1975 stellten Villeroy & Boch, Keuco (damals noch Paul Keune & Co. KG) und Grohe zusammen mit Colani die erste Badezimmer-Kollektion vor – das Lifestyle-Badezimmer war erfunden. Dieses Konzept machte das Badezimmer letztlich zu dem Raum, der er heute ist. Was bleibt, ist die Frage, ob es nicht ein Fehler war, das Potenzial und die Popularität eines Colani zu unterschätzen und eine vielleicht einmalige Chance ungenutzt gelassen zu haben. Zumal die Suche nach Persönlichkeiten keine unendlichen Möglichkeiten bereithält und es vielen zunehmend austauschbaren Produkten genau an dem mangelt, was Colani im Übermaß auszeichnete: Originalität.
Frank A. Reinhardt (Dipl. Des.)
Die SBZ-Ausgabe 20⁄19 bietet etwas noch nicht Dagewesenes. Erstmals in der mehr als 70-jährigen Geschichte dieser Fachzeitschrift druckt der SBZ-Chefredakteur Dennis Jäger einen Beitrag bewusst ein zweites Mal ab. Es handelt sich um ein Interview, das zudem noch aus dem Herbst des Jahres 2000 stammt. Das klingt erstmal so, als sei es alles andere als „frisch“, geschweige denn mit aktuellen Aussagen versehen. Aber weit gefehlt. Die Inhalte „von gestern“ sind nämlich auch heute noch brandaktuell. Das liegt vor allem am Interviewten. Dirk Schlattmann und Frank A. Reinhardt hatten es damals für die SBZ geschafft, einen Gesprächstermin mit der Designlegende Luigi Colani zu ergattern.
→ Artikel in der SBZ 20⁄19
→ Interview mit Luigi Colani aus dem Jahre 2000
→ SBZ-Kommentar Dennis Jäger