Interview Wohn Idee: Trendentwicklungen im Interior Design | Frank A. Reinhardt
Frank A. Reinhardt in einem Trend-Interview in der Wohnzeitschrift Wohn Idee (Ausgabe 04/2019)
Was sind die Keywords der imm 2019, und warum werden uns diese Themen in Zukunft beschäftigen?
Die Keywords wie beispielsweise „Warmer Minimalismus“ oder „Public-Private“ dienen als Orientierungsmarken zu den Einrichtungstrends, die sich zu Jahresbeginn auf der imm cologne zeigen. Da es diverse Entwicklungslinien gibt, spreche ich von Keywords, die plakativ die neuen Einrichtungsideen aufgreifen.
Rückt 2019 ein besonderes Möbelstück oder ein besonderer Raum in den Fokus?
Da die Wohnung immer mehr zum Lebensmittelpunkt wird, haben Stühle und große Tische für unsere sozialen Events Hochkonjunktur. Außerdem suchen wir einen Extra-Lieblingsplatz in der Wohnung, daher boomt der Armlehnstuhl.
Man sah ja ziemlich viele Rottöne auf der Messe. Scheinbar hat Pantone mit der Trendfarbe ‚Living Coral‘ diesmal ins Schwarze getroffen. Wieso ist die Farbe so erfolgreich?
Ja, Rot ist ein Thema, und auch Pastell-Töne sind angesagt, daher passt Living Coral da gut hinein – aber daraus den Farbtrend für die Interior-Branche zu machen, halte ich für übertrieben. Zurzeit gibt es eigentlich keine solitären Trends mehr.
Kommen noch andere Trendfarben auf uns zu?
Die Einrichtungswelt ist farbig – das ist der eigentliche Trend. Welche Farben dabei vorne liegen, ist nicht eindeutig. Neben dem weiterhin tragenden Trend einer von Natur- oder auch Pastelltönen begleiteten hellen Graupalette, die aber weniger skandinavisch inspiriert erscheint als von Natur und Ethno-Motiven, gibt es zwei wichtige Richtungen: bunt und dunkel-elegant, wobei hier wohl am ehesten noch das Dunkelgrün hervorzuheben wäre.
Werden wir in Zukunft schnörkelloser oder opulenter wohnen?
Tatsächlich wird es langsam wieder minimalistisch in unseren Wohnungen, und wir wollen Deko- und Gebrauchsgegenstände wegräumen können. Clean Desk ist das passende Stichwort. Weil wir es zuhause trotzdem gemütlich haben wollen, ist dieser Minimalismus wärmer und nicht so konsequent, wie Vertreter des Bauhauses es sich vielleicht gewünscht hätten.
In der Installation ‚Das Haus‘ gab es kaum Stauraum, und das Ausmisten ist sowieso voll im Trend. Werden wir in Zukunft ohne viel Ballast leben?
Das ist ein Ideal. Wieweit wir das umsetzen, ist individuell sehr unterschiedlich. Tatsache ist doch: Wenn unsere Wohnungen wieder aufräumt aussehen sollen, brauchen wir mehr Stauraum. Das ist der Luxus der Zukunft. Die einen schaffen Platz unterm Bett, im Keller oder in einem größeren Wohnzimmerschrank, die anderen haben begehbare Kleiderschränke oder ein Gartenhaus. Auch Miet-Storage wird auch bei uns zunehmend ein Thema.
Wenn unsere Wohnungen wieder aufräumt aussehen sollen, brauchen wir mehr Stauraum. Das ist der Luxus der Zukunft. Frank A. Reinhardt
Und für die, die an ihren Habseligkeiten hängen – welche Stauraummöbel sind auf dem Vormarsch?
Das Sideboard feiert ein Comeback. Auch Vitrinen oder moderne Küchenschränke mit Glaseinsätzen werden wieder mehr nachgefragt, da wir unsere – möglichst wenigen – Lieblingsstücke und Kultgegenstände zur Schau stellen wollen. Viele Möbel werden auf kleinem Raum platzsparend optimiert: klappen, schieben, Multifunktionalität sind gefragt, und erste Lösungen waren auch auf der imm cologne 2019 zu finden.
Elegantes Art-Déco, poppiges Memphis-Design und der Dauerbrenner Mid-Century: Warum sind Retro-Elemente so beliebt?
Sie stehen für ein Lebensgefühl, in dem man noch bedingungslos an den Fortschritt glaubte. Ihre gefällige, formschöne Formensprache ruft in uns tradierte Erinnerungen hervor und zahlt in die Themen Gemütlichkeit und Wohnlichkeit ein.
Und was sind die maßgeblichen Merkmale des Möbeldesigns unserer Zeit?
Da gibt es vielfältige Tendenzen. Praktikabilität scheint mir gerade bei den jüngeren Designern wieder im Fokus zu stehen. Hier sieht man andererseits auch Beispiele für eine neue Ästhetik mit betont klobigen Elementen. Die etablierten Marken setzen eher auf gediegene Formensprache, die mal betont voluminös, mal sehr feingliedrig interpretiert wird. Auffällig ist auch, dass es wieder mehr Muster auf dem Möbel selbst gibt statt nur auf der Tapete. Durchgehendes Merkmal neben Design- und Qualitätsorientierung ist nun endlich die Nachhaltigkeit in der Einrichtung. Die Menschen wollen handeln und nicht mehr nur diskutieren.
Gibt es ein Möbelstück, das Sie sich in diesem Jahr unbedingt ins Haus holen möchten?
Die Interior Designer haben den Spiegel als Deko-Objekt entdeckt: mal in Gruppierung mehrerer Spiegel an der Wand, mal als Kosmetikspiegel im Wohnbereich, oder einfach einzeln oder zu mehreren auf den Boden gestellt. In unserem neuen Wohnzimmer macht sich das gut, weil die drei bodenstehenden Spiegel auch den Raum vergrößern.